Sinti und Roma Ein Besuch des Dokumentationszentrums deutscher Sinti und Roma in Heidelberg mit der beeindruckenden Ausstellung ist für jeden zu empfehlen, der sich ein Bild vom Ausmaß ihrer Verfolgung in der NS-Zeit und von der gedankenlosen Grausamkeit machen will, mit der dies geschah. MunaVeRo
hat die Ausstellung am 06.07.99, zu Beginn der Sommerferien, mit einer
kleinen (aber feinen!) Schar daheimgebliebener Vereinsmitglieder und
Gäste besucht. Wir hatten vorher eine Führung vereinbart,
die bei spontanen Besuchen nicht möglich ist. Nur noch
eine kleine Minderheit der Sinti und Roma zieht mit dem Wohnwagen umher.
Dennoch prägt diese Minderheit hauptsächlich unser Bild von
den Zigeunern", wie sie vielfach noch genannt werden. Das galt
auch weitgehend schon vor der nationalsozialistischen Machtergreifung.
Zigeuner"
waren zwar den Nationalsozialisten verdächtig, sie wurden aber
nicht so öffentlich und vordringlich zum Volksfeind erklärt,
wie die Juden. Deshalb wollte man nach dem Krieg zunächst nicht
wahrhaben, daß es überhaupt eine systematische Verfolgung
gegeben hatte. Rassenideologen
der Nationalsozialisten erklärten die Zigeuner für minderwertig.
Ärzte und Mitarbeiter der NS-Gesundheitsbehörden, sogenannte
Rassehygieniker", versuchten durch systematische und zwangsweise
Vermessung aller möglichen Körpermerkmale Eigenheiten einer
zigeunerischen Rasse" als sicheres Unterscheidungsmerkmal
vom arisch/germanischen" Menschen zu finden. Die Namen Robert Ritter und Eva Justin haben hierdurch eine traurige Berühmtheit erlangt und mit ihnen die Stadt Frankfurt - zuletzt im Jahr 1998 durch eine verweigerte Gedenktafel am Gesundheitsamt, wo Ritter und Justin auch nach dem Krieg noch viele Jahre unbehelligt gearbeitet haben. Diese Gedenktafel wurde inzwischen zwar angebracht, aber erst, nachdem sie spektakulär Kirchenasyl erhalten hatte und die Peinlichkeit offenbar zu groß wurde. Mit dem Erlass von Zigeunergesetzen, der systematischen Beobachtung und Erfassung durch die Polizei, der Verordnung von Aufenthaltsbeschränkungen und letztlich der Deportierung begann eher nebenbei und wenig beachtet die Verfolgung und Ermordung tausender Sinti und Roma in Konzentrations- und Vernichtungslagern. Die Ausstellung in Heidelberg dokumentiert diese Entwicklung in allen Stadien sehr eindringlich und nachvollziehbar mit Dokumenten wie Erlassen des Innenministeriums, Urteilen, Zeitungsberichten, Schriftwechsel und Tagesbefehlen von SS und Kriminalpolizei, Bildern und Kurzbiographien der Opfer sowie Videos mit Zeitzeugenberichten. Beeindruckend und bedrückend die Ausstellung - sehr engagiert und nicht wissenschaftlich kalt und nüchtern die Führung durch Frau Anita A., die als Sintezza einen ganz persönlichen Bezug zu den Bildern hat: für sie werden nicht nur irgendwelche anonymen Opfer beschrieben, die Ausstellung dokumentiert auch Schicksale einiger Verwandter. (Rudolf
Ostermann) |