Bericht von der Matinee zum Gedenken an den 70. Geburtstag von Anne Frank, den diese nicht erleben durfte:

Am 13.6.1999 um 11:00 Uhr fand vor geladenen Gästen in der Frankfurter Paulskirche eine Matinee und Gedenkfeier aus Anlaß des 70. Geburtstags von Anne Frank statt, organisiert durch Mitglieder der Jugendbegegnungsstätte Anne-Frank.

Die musikalische Einleitung und Begleitung des Programms hatte Andreas Hepp auf einem Marimbaphon übernommen. In der bis auf den letzten Platz gefüllten Pauskirche wurde es mucksmäuschenstill, als er in ganz leisen Tönen auf dem ungewöhnlichen Instrument zu spielen begann. Hätte es denn überhaupt ein anderes Instrument sein dürfen? Sobald man seinem virtuosen Spiel erlegen war, konnte man sich das nicht mehr vorstellen.

Mit den anwesenden Kuratoriumsmitgliedern und Beiräten der Begegnungsstätte sowie Gästen aus Kultur und ehemaliger wie aktiver Politik war viel Prominenz erschienen.

Die Begrüßung erfolgte durch die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth und auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch hatte sich die Zeit für ein Grußwort genommen. Er bat dafür um Verständnis, daß er die Veranstaltung vorzeitig verlassen müsse, da man den Ministerpräsident traditionsgemäß noch auf dem Hessentag erwarte. Vielleicht in der Eile unterlief ihm der einzige etwas peinliche Versprecher der Veranstaltung, als er von der "Feier" des heutigen Tages sprach. Er korrigierte sich jedoch schnell und sprach davon, daß es natürlich keine Feier im freudigen Sinn, sondern ein Anlaß zu Trauer und Gedenken sei. Ansonsten muß man beiden Politikern bescheinigen, daß sie dem schwierigen Anlass angemessene Worte fanden und ihre Sache gut gemacht haben.


Als Redner sprachen der Kurator der Jugendbegegnungsstätte Hartmut von Hentig und Mirjam Pressler, die eine neuere Ausgabe des Tagebuchs Anne Franks übersetzt und auch selbst über Anne Frank geschrieben hat.

Hartmut von Hentig plädierte in einer sehr persönlichen und engagierten Rede dafür, Anne Frank nicht als historische Person lediglich zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen im Schulischen Lehrplan zu mißbrauchen. Die Ideologie und die Verbrechen der Nationalsozialisten hätten in ihrem Tagebuch praktisch keine Rolle gespielt. Vielmehr sei es ein bisher einmaliges Zeugnis der geistigen und Persönlichkeits-Entwicklung eines heranwachsenden Menschen, beobachtet und beschrieben mit klarem Blick und fast kritischer Distanz von diesem Menschen selbst, zeitgleich mit dem Ablauf dieser Entwicklung. Ein solches Zeugnis sei niemals von einem Erwachsenen im Rückblick wiederzugeben, da er nach Vollendung der Entwicklung eben nicht mehr der gleiche Mensch mit gleichem Fühlen und Denken sei - und niemals vorher sei ein Heranwachsender in der Lage gewesen, sich und seine Umgebung so klar zu sehen und die eigenen Gefühle und Gedanken gleichzeitig zu erleben, kritisch zu reflektieren und zu beschreiben.

Jugendliche verschiedener Nationen (Schüler der Frankfurter Anne-Frank Schule) lasen selbstgewählte Passagen aus dem Tagebuch in portugiesischer, griechischer und türkischer Sprache jeweils mit deutscher Übersetzung.

Die besten Beiträge zum Jugend-Wettbewerb "Anne Frank - ein Tagebuch" wurden auf der Veranstaltung gewürdigt und der Generalkonsul der Niederlande übernahm gemeinsam mit Trude Simonsohn die Preisverleihung an die jugendlichen Wettbewerbsteilnehmer.

Die Schüler der Anne-Frank-Schule erhielten einen vom Niederländischen Generalkonsul gestifteten Sonderpreis in Höhe von 500,-DM für ihre Behandlung des Tagebuchs und die Gestaltung des Anne-Frank Songs und Rap's.
Schüler einer 8. Klasse der GBS Rodgau (Lehrerin Martina Blatt) und die Schüler der Albert-Schweizer Waldorff-Schule Frankfurt teilten sich den 1. und 2. Preis des Wettbewerbs. Die GBS-Schüler hatten ein Buch und ein Video zum Thema verfaßt und Vergleiche zum jüngsten Geschehen im Kosovo angestellt. Sie gewannen eine Fahrt nach Amsterdam mit Besuch des Anne-Frank Hauses in der Prinsengracht. Die Frankfurter Schüler hatten ein Theaterstück über die Geschichte Anne Franks aufgeführt. Ihr Gewinn bestand in einer Fahrt nach Basel und einer Begegnung dort mit Buddy Elias, einem Vetter Anne Franks.